Eine IT-Strategie fĂŒr Europa đŸ‡ȘđŸ‡ș

Ausgangslage

Die wertvollsten und erfolgreichsten Unternehmen sind IT-Firmen: Apple, Google, Amazon und Microsoft. Alle mit Sitz in den USA. China, ein weiterer riesiger Markt, ist die ProduktionsstĂ€tte der meisten Hardware, aber auch Sitz von Firmen die erfolgreich den Platz der US Firmen einnehmen: Alibaba, Tencent und mehr. Auch SchwellenlĂ€nder haben ihren eigenen Markt, in dem Online-GeschĂ€fte stattfinden. KaiOS ist ein Beispiel fĂŒr ein innovatives Modell, dass in der ersten Welt kaum bekannt ist.

Wo steht Europa? Es gibt keine nennenswerten Online-Plattformen. Betriebe und Verwaltung machen sich abhÀngig von Software aus den USA und Hardware aus China. Kreative Unternehmer und talentierte Entwickler wandern ab in die USA. Auf lange Sicht wird Europa bedeutungsloser als Innovator und bleibt Importeur von Technologie. Das ist fatal.

Europa braucht eine Strategie und den politischen Willen diesen Trend zu Àndern. Das Potenzial und die Mittel aber wÀren vorhanden, Europa unabhÀngiger in einer sich verÀndernden globalen Welt zu machen. Ich möchte im Folgenden meine persönlichen Gedanken zu so einer Strategie darlegen.

Daten

Europa sollte auf keinen Fall versuchen die USA oder China zu kopieren. Die bestehenden erfolgreichen Lösungen sind im Grunde zentralistierte Lösungen. Es werden also Services angeboten, bei denen die Daten der Kunden im Zugriff der betreibenden Firmen sind. Egal wie gut sich die Privacy-Versprechungen auf den Webseiten lesen lassen, de facto gibt es keinen Schutz der Daten vor den Firmen oder den Behörden des Landes in dem der Sitz des Unternehmens liegt – in der Regel den USA oder China.

Daten sind die Ware des Informationszeitalters. Der erste Unterschied, den Europa bei seiner Strategie machen sollte, ist der absolute Schutz dieser Daten. Der Benutzer sollte vollen Zugang und Kontrolle zu ĂŒber seine Daten haben, um nicht in AbhĂ€ngigkeit einzelner Unternehmen zu geraten. Das ist zu erreichen durch dezentrale Lösungen und starker VerschlĂŒsselung.

Plattform

Daten mĂŒssen angezeigt und bearbeitet werden können. Dazu werden Computer, Tablets, Smartphones und mit der Zeit weitere GerĂ€te verwendet werden. Wichtig ist, welches Betriebssystem benutzt wird, denn das ist quasi das Fundament auf dem alle Lösungen aufbauen. Microsoft, Google und Apple haben hier im Prinzip ein Monopol, wiederum alle ansĂ€ssig in den USA. Europa sollte auf eine eigene freie Plattform setzen, dabei bieten sich Linux und Android als erster Ausgangspunkt an.

Aber neben dem Betriebssystem hat sich ein weiteres heimliches Betriebssystem etabliert: der Webbrowser. UrsprĂŒnglich eine europĂ€ische Erfindung, hat er den Informationszugang im Internet revolutioniert. In den letzten Jahren hat die KomplexitĂ€t immer weiter zugenommen und die meisten Dienste eines Computers können mittlerweile mit Webtechnologien angesteuert werden. Die Programmierung ist leicht zu erlernen und die Kenntnis davon weit verbreitet. Mit WebAssembly gibt es nun auch keine wirklichen Performance-Probleme mehr.

Europa sollte ausnutzen, dass es die bewÀhrte Web-Plattform gibt. Allerdings ist nach der SchwÀchung von Firefox nun nur noch eine Browser-Engine relevant und diese wird von Google und Apple kontrolliert. Europa sollte kurzfristig eine eigene offenen Engine entwickeln, dazu bietet sich Servo an. Langfristig könnte das Betriebssystem als ganzes durch eine Web-Engine ersetzt werden, nach dem Muster von Google Chrome OS.

Hardware

Auch den GerĂ€ten selber muss vertraut werden können. In vielen Chips gibt es eigene kleine Betriebssysteme, die wichtige Funktionen ĂŒbernehmen und in die normalen Entwickler keinen Einblick bekommen. Es wĂ€re wichtig auch hier in der Entwicklung und der Produktion selbstĂ€ndiger zu werden, am besten mit einem offenen Ansatz. Warum sollten nicht mehrere Hardwarehersteller dieselben Chips produzieren? ARM ist ja ein entsprechend erfolgreiches Modell in diesem Bereich. Leider kenne ich mich zu wenig aus in diesem Thema, um mehr ins Detail gehen zu können. Doch wichtig scheint mir auch hier eine Basis zu schaffen, der vertraut werden kann und die nicht monopolisiert wird.

Software

Der öffentliche Bereich, also Verwaltungen und Behörden, sollten dazu verpflichtet werden Open-Source-Software zu verwenden und zu entwickeln. Jede Lösung die mit staatlichen Geldern entwickelt wird, muss frei und offen zugĂ€nglich sein und frei von Lizenzkosten betrieben werden können. Das Geld alleine das aktuell an Lizenzen fĂŒr Windows in Europa ausgegeben wird sollte schon reichen, um eine Softwareentwicklung zu fördern. AuftrĂ€ge zur Entwicklung und Pflege wiederum sollten in Europa vergeben werden, um hier Kompetenzen und MĂ€rkte anzuschieben und aufzubauen.

Bildung

Sowohl die Bildung im Umgang mit IT, also auch die Vermittlung von Wissen durch IT sollte gestĂ€rkt werden. Gerade in Zeiten von Corona sind die Defizite klar zum Vorschein gekommen. Die BedĂŒrfnisse an eine Bildungsinfrastruktur sind sicherlich vergleichbar in ganz Europa, dennoch gibt es keine mir bekannte gemeinsame Anstrengung eine Lösung zu finden.

Im Bereich der Inhalte gibt es mittlerweile diverse Lösungen, wie zum Beispiel in Deutschland Anton App, Musste Wissen oder SimpleClub. Aber auch international wie Khan Academy. Dennoch bereitet jeder Lehrer seinen Unterricht aufs neue individuell vor und Erfahrungen werden nicht effektiv untereinander geteilt. Eine bessere Förderung solcher Inhalte könnte sowohl den klassischen, als auch den virtuellen Unterricht verbessern und Europa so besser aufstellen, da das Bildungsniveau zunimmt und vergleichbarer wird.

Innovation

EuropĂ€ische BĂŒrger haben immer wieder gezeigt, dass sie innovativ sind und Zukunftsthemen erkennen. Erneuerbare Energie ist ein gutes Beispiel dafĂŒr, dass aber gleichzeitig auch ein schlechtes Beispiel fĂŒr den kurzen Atem bei der Förderung durch die Politik ist. Im Bereich MobilitĂ€t war Europa mit fossilen Brennstoffen vorne dabei, hat dann aber die Entwicklung verschlafen, obwohl viele Innovationen zu den Antrieben der Zukunft auch in Europa stattfanden.

Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind gleichzeitig auch Chancen die genutzt werden mĂŒssen. Das Potenzial ist da, nun braucht es den Mut und die Leidenschaft eigene Wege einzuschlagen und das möglichst rasch.


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Update 7.9.2020:

Veröffentlicht am 26. August 2020

 
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