Gegen Chatkontrolle und Aufweichung von Verschlüsselung

Stetig geht es in der Politik gegen die sichere Verschlüsselung. Ich halte das für sehr gefährlich. Verschlüsslung ist eine schützenswerte Technologie, die nicht unbrauchbar gemacht werden sollte. Deswegen habe ich gegen Chatkontrolle an die EU geschrieben. Mach mit bei der Initiative. (Stand 17.06.2024)

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Erschrecken habe ich in der Presse unter dem Titel “Chatkontrolle / EU” gelesen, dass eine sichere Kommunikation aufgeweicht werden soll. Als Softwareentwickler einer Open Source Lösung in diesem Bereich https://github.com/holtwick/briefing/ möchte ich Ihnen dringend davon abraten, Einschränkungen insbesondere bei der Verschlüsselung von Nachrichten zuzustimmen.

Der Goldstandard ist die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2EE). Aus technischen Gründen kann es nur eine sichere Verschlüsselung geben oder gar keine. Etwas dazwischen ist technisch nicht möglich und wird immer Hintertüren öffnen, auch für diejenigen, die die Nachrichten nicht lesen sollen. Ein solcher Zustand würde Vertraulichkeit, Demokratie und Wirtschaftsstandorte gefährden.

Aus diesen Gründen bitte ich Sie, den entsprechenden Änderungsanträgen nicht zuzustimmen und sich für ein Recht auf sichere Verschlüsselung einzusetzen.

Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen,

Dirk Holtwick

Update 20.06.2024:

Der Bundestagsabgeordnete meines Wahlkreises Sebastian Fiedler (SPD) äußert sich in den Medien zum Thema Chatkontrolle und geht noch weiter, indem er die Überwachung auf den Geräten selbst fordert. Das habe ich zum Anlass genommen, ihm einen Brief zu schreiben. Da dieser ganz gut meine eigene Position zum Thema darstellt, veröffentliche ich ihn hier:

Sehr geehrter Herr Fiedler,

Sie äußern sich aktuell in den Medien zum Thema Chatkontrolle und Überwachung direkt auf den Endgeräten und beziehen sich dabei ausschließlich auf das Thema “Kinderpornographie”. Keine Frage, Kinderpornographie muss bekämpft werden, ich bin selbst Vater, aber sie instrumentalisieren das Thema, um Persönlichkeitsrechte zu beschädigen und eine anlasslose, flächendeckende Überwachung zu implementieren.

Betrachten wir das Thema einmal von der anderen Seite. Stellen wir uns vor, in einer politisch veränderten Situation würden bestimmte andere Haltungen, die heute noch akzeptiert sind, verfolgt. Dieses Instrument würde auch in diesen Bereichen durch einfache Anpassung der Parameter eine totale Überwachung ermöglichen und wäre auch für die Betroffenen nicht nachvollziehbar.

Sie sprechen von einer Art “Antivirensoftware” auf den Geräten, die nach schädlichen Inhalten sucht und diese meldet. Auch diese Lösung ist nicht akzeptabel. Apple hat so etwas vorgeschlagen, alle Argumente dagegen sind bekannt.

Um bei Ihrem Vergleich zu bleiben: Das wäre so, als würde man in einer Wohnung überall Überwachungskameras anbringen, die dann von einer Wachperson lückenlos überwacht werden. Nichts anderes ist heute das Handy, der privateste Bereich vieler Menschen. Eine solche Überwachung führt zu angepasstem Verhalten und widerspricht dem Grundgesetz. Ob es sich dabei um eine KI oder einen Menschen handelt, ist für das Ergebnis irrelevant.

Sie beklagen den Mangel an Alternativvorschlägen. Ich bin kein Experte, aber ich denke, es gibt noch viele Möglichkeiten jenseits des Eingriffs in die Freiheitsrechte. Als erstes fällt mir die Prävention durch alle ein, die mit Kindern zu tun haben. Dann denke ich, dass eine bessere personelle und fachliche Ausstattung der zuständigen Behörden helfen würde. Die Unterwanderung dieser kriminellen Organisationen könnte weitere Erfolge bringen.

Ich befürchte aber, dass Kriminelle immer einen Weg finden werden, technisch im Verborgenen zu bleiben. Die Maßnahmen, die Sie vorschlagen, werden nur die Rechte Unschuldiger einschränken, Sie werden nichts bewirken. Als nächstes müssten Sie den freien Vertrieb von Hardware und freien Betriebssystemen wie Linux und Android-Derivaten verbieten. Sie müssten auch Tor-Netzwerke etc. verbieten und dann wären Sie schnell bei einem Modell wie der Great Firewall in China.

Noch beunruhigender ist die Situation bei der Aufweichung der Verschlüsselung. Sie wissen, dass nicht nur die Guten durch die Hintertür kommen? Zero-Day-Exploits zeigen dies immer wieder am Beispiel von Betriebssystemen.

Sichere Open-Source-Verschlüsselung ist ein Segen für unsere Gesellschaft. Damit können vertrauliche Informationen von Personen und Unternehmen geschützt werden. Vertrauen in eine sichere Kommunikation ist elementar für unsere demokratische, aber auch für eine wirtschaftlich erfolgreiche Gesellschaft. Technisch ist es nicht möglich, die Verschlüsselung punktuell aufzuheben. Es funktioniert nicht wie bei Briefen, bei denen nur bestimmte Umschläge geöffnet werden.

Falls Sie in den Sommerferien noch Platz für eine Lektüre haben, kann ich ihnen das spannende Buch “NSA” von Andreas Eschbach empfehlen. Eschbach ist ebenfalls ursprünglich Softwareentwickler und hat mit Fachwissen die aktuellen technischen Möglichkeiten realitätsnah in eine fiktive alternative Zeit des Hitler-Nationalsozialismus übertragen.

Als Abgeordneter meines Wahlkreises möchte ich Sie bitten, im Sinne meiner Ausführungen Ihre Haltung zu überdenken und zu differenzieren. Ich unterstütze Sie im Kampf gegen Kinderpornographie, aber bitte achten Sie auf die Wahl der Mittel. Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen Dirk Holtwick

Veröffentlicht am 17. Juni 2024

 
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